#30Tage – Tag 13

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Viel Spaß beim lesen.

Hinterher ist man immer schlauer?

Ich saß wie jeden Abend auf meinem bequemen Sessel im Wohnzimmer und trank ein Glas Rotwein. Neben mir auf dem kleinen, runden Beistelltisch stand die Weinflasche. Sie war schon zur Hälfte geleert und bis zur Nacht würde sie gänzlich leer sein.

Während ich so da saß,
schaute ich durch die breite Fensterfront nach draußen, direkt auf meinen Garten. Der Mond schien genau auf die Pflanzen und tauchte alles in ein silbriges Zwielicht, welches den Garten in ein kleines Zauberreich verwandelte.

Ich seufzte und nahm einen weiteren Schluck. “Hinterher ist man immer schlauer”, flüsterte ich in den leeren Raum. Für einen kurzen Moment erwartete ich tatsächlich eine Antwort. Dann musste ich lachen. Ich lachte so laut und heftig, dass ich etwas von dem Wein verschüttete.
Der rote Fleck auf dem Sessel breitete sich langsam aus, als die Flüssigkeit langsam vom Polster aufgesogen wurde.
Ich kniff verärgert die Augen zusammen, stellte das Glas auf den Tisch und schnippte mit den Fingern. So, wie ich es für eine sehr lange Zeit gewohnt war.
Plötzlich überkam mich eine tiefe Trauer und ich spürte schmerzhaft den Verlust, den ich einst erlitten hatte.
“Ja, hinterher ist man wirklich immer schlauer. Doch was nützt es mir jetzt?”
Ich stand auf und ging auf die Fenster zu. Ich schaute auf meinen Garten und ballte die Hand zur Faust.
“Es nutzt mir rein gar nichts. Ich habe alles verloren.”

Draußen tanzte das Mondlicht mit den Blättern im Wind. Kleine Funken glitzerten kurz auf. Ich konnte den Anblick kaum ertragen und doch vermochte ich es nicht, den Blick abzuwenden.

“Heimweh?”, fragte eine mir nur zu gut bekannte Stimme.
“Bist du nach all den Jahren also endlich gekommen, um mich in meinem Elend zu verspotten, Nyctea?”
“Diese Verbitterung steht dir nicht, Ludaem. Darf denn deine Frau nicht zu Besuch kommen, um nach ihrem Ehemann zu sehen?”

Ich konnte ein Lachen kaum unterdrücken.
“Sei nicht so verbittert, Ludaem.”
Ich drehte mich um. Nyctea stand vor mir. Sie sah so jung und unschuldig aus, wie immer. Ihr Haar war blauschwarz wie der Nachthimmel. Ihre Augen funkelten wie der Abendstern. Sie war die Verkörperung der Finsternis, die dunkle Fee. Ein Teil von mir empfand nach wie vor etwas für diese verfluchte Kreatur. Ein sehr kleiner Teil. Der Rest in mir fühlte nur noch eines: brennenden Hass.
Wie gerne hätte ich sie einfach ausgelöscht. Aber das konnte ich nicht. Damals nicht, weil ich zu blind vor Liebe war und heute nicht, weil mir die Macht dazu fehlte.

“Armer Ludaem. Du bist alt geworden. Alt und schwach.”
“Das ist dein Verdienst,  dunkle Fee. Du hast mir das angetan.”
“Ich weiß. Und es tut mir so unendlich leid. ”
Nyctea machte einen Schritt auf mich zu. Ich wich zurück.
“Lass mich bitte in Ruhe. Lass mich mein sterbliches Leben zu ende leben, mit dem letzten Rest an Würde, das mir noch geblieben ist.”
“Ludaem, was ich dir einst angetan habe, war ein großer Fehler. Lass es mich wieder in Ordnung bringen.”

Sie streckte die Hand aus. Dann lächelte sie. “Komm wieder nach Hause.”

Was hatte sie gesagt? Nach Hause? Ich hätte niemals geglaubt, jemals wieder nach Hause zurück zu können. Damit hatte ich mich schon vor Ewigkeiten abgefunden. Und nun kommt sie, die mir einst alles raubte, meine Macht, meine Unsterblichkeit und meine Heimat, und will mich nach Hause holen?

“Du glaubst mir nicht. Ich verstehe. Aber vielleicht glaubst du mir, wenn ich es dir Beweise.”
Nyctea griff in ihre Tasche und holte einen kleinen, leuchtenden Ball hervor.

Ich musste schlucken. Da war es. Der größte Schatz, den ich je besessen hatte.
“Mein Licht.”, flüsterte ich.
Nyctea nickte langsam. “Ich will es dir zurückgeben. Ich hatte nicht das Recht, es dir zu nehmen.”
Nyctea bot mir die Lichtkugel wie eine Opfergabe dar. Sie senkte ihr Haupt und sagte: “Bitte, Ludaem. Nimm es an. Und komm wieder nach Hause.”

Ich streckte meine Hand aus. Mit zittrigen Fingern berührte ich das Licht. Ich wollte es. Ich brauchte es. Ich konnte nicht länger ohne es Leben.

Meine Finger begannen zu leuchten, erst ganz leicht und dann immer heller. Der Schein breitete sich langsam über meine Hand aus. Es fühlte sich warm und angenehm an. Vertraut und berauschend. Binnen weniger Augenblicke war ich vollständig vom Licht erfüllt und spürte, wie die uralte Macht zurückgekehrt war.
Mein ganzer Körper kribbelte, als die Haut sich wieder verjüngte und die Muskeln in meinem Körper sich wieder aufbauten.

Ich war wieder Ludaem, der mächtige König des Königreichs hinter dem Mondlicht. Endlich. Nach all den Jahrzehnten im Exil.
Ich sah Nyctea an. Sie stand nach wie vor in Demut vor mir. Was hatte sich diese elende Hexe, die ich einst zur Frau genommen hatte und die mich dann auf so schändliche Weise hintergangen hat, nur dabei gedacht?

Hinterher ist man klüger. Ich würde nicht noch einmal auf ihr unschuldiges Aussehen und auf ihre süßen Worte hereinfallen.

Es war so unendlich leicht, mich an der dunklen Fee zu rächen. Die Energien flossen im Bruchteil einer Sekunde in meine Fingerspitzen. Ein gleißender Lichtblitz entfesselte sich, erfassten Nyctea und hüllten sie in brüllendes Feenfeuer!

Ich lachte laut und spie meine ganze Wut heraus. “Sei für immer ausgelöscht du vermaledeite Kreatur der Finsternis!”

Ich spürte das Feuer. Und ich hörte das Lachen. Ein unendlich böses Lachen. Mir wurde klar, dass es nicht mehr mein Lachen war, sondern das von Nyctea.

“Alter Narr!”, fauchte sie und wischte meinen Blitz mit der Hand beiseite, als wäre er nur Rauch.
“Hast du wirklich geglaubt, dass ich dir deine Macht zurück gebe, ohne sicher zu stellen, dass du mir nicht würdest Schaden können?”

Nein. Das konnte unmöglich wahr sein. Sie konnte nicht so mächtig sein, wie ich oder gar mächtiger.
Ich musste sie jetzt besiegen. Ich sammelte erneut meine Macht und fokussierte sie in meiner Hand.
Ein grässliches Geräusch ertönte, als wenn Fleisch reißen würde und dann ein schmerzerfüllter Schrei.
Ich sah voller Entsetzen auf den blutigen und verbrannten Stummel, der vor einem Augenblick noch mein Arm gewesen war.
“Was? Wieso?”, stammelte ich. Mir schwanden die Sinne und sank auf die Knie.

Nyctea stellte sich vor mich hin und lachte boshaft.
“Du fragst dich, warum dein Licht dich verstümmelt hat? Das kann ich sehr gut verstehen. Ich will es dir verraten.”

Die dunkle Fee breitete ihre Arme aus und ließ Wellen der Finsternis über ihre Finger tanzen.
“Dein Licht hast du benutzen wollen, um mich zu töten. Aus Rache. Du hast es in dem Moment verdorben, als du es in dir aufgenommen hast.”

“Oh nein… “, sagte ich leise. Die Erkenntnis traf mich schmerzhafter, als der Verlust meines Arms. Ich hätte es wissen müssen. Vor fünfzig Jahren hätte ich es gewusst. Der Hass hat mich blind gemacht.
“Armer Ludaem. Du bist in meine Falle getappt. Ich konnte dir damals nur dein Licht stehlen und dich verbannen. Es war das letzte, was meiner Herrschaft noch hätte gefährlich werden können. Dein Licht zu zerstören war mir jedoch nicht möglich. Du hast es für mich verdorben, was noch viel besser ist, als es zu zerstören. Denn jetzt ist es für alle Zeiten verloren.”
Nyctea lächelte. “So wie du nun verloren bist. Ludaem, ehemaliger König und Tyrann. Dies ist nun dein Ende.”
Die Fee packte meinen Kopf und ließ die Finsternis in meinen geschundenen Körper fließen.

Ich spürte, wie das Licht in mir erlosch. Es wurde so schwarz wie Nycteas Seele, die ich für einen Augenblick berührte. Ich sah das ganze Ausmaß meiner Fehler. Ein letzter Moment der Reue über meine vergangenen Missetaten. All das Leid, das ich einst verursacht hatte und das unschuldige Kind, das ich einst verführte. Das Kind, das mich nun richtete. Ich war das Licht und habe doch nur böses getan.
Ich wünschte, ich hätte weinen können, aber mein Körper zerfiel bereits zu Staub.

Hinterher ist man immer schlauer. Doch meistens ist es dann schon zu spät.

5 Kommentare zu „#30Tage – Tag 13“

    1. Ist ja nicht schlimm. Ich schreibe nicht nur Fantasy in der Challenge. Obwohl ich persönlich auch Fantasy am liebsten mag und später vor allem in dem Bereich schreiben will.
      Trotzdem ist es gut, auch mal was anderes zu probieren.
      🙂

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